Ein Schlösschen, aber nie ein Kunsthaus – Das Griesbachsche Gartenhaus

Der historische Jenaer Kunstverein wurde 1903 gegründet. Seine ersten öffentlichen Ausstellungsräume fanden sich jedoch erst 10 Jahre später im Erdgeschoss des Wohnhauses Kaiser-Wilhelm-Straße 13 (heute August-Bebel-Straße, siehe dazu auch Info-Markierung Nr. 1).
Schon seit Eröffnung der Galerie in der Kaiser-Wilhelm-Straße bestanden Bemühungen zur Errichtung eines Kunsthauses. Durch die Notzeit des ersten Weltkriegs wurden diese Bemühungen aufgegeben. Die Hoffnung auf eine räumliche Berücksichtigung beim Umbau des Theaters scheiterte. Verhandlungen zur Nutzung des Griesbachschen Gartenhauses mit dem Weimarer Hofmarschallamt und dem späteren Eigentümer, der Carl-Zeiss-Stiftung, blieben zunächst erfolglos.

Das Griesbachsche Gartenhaus wird zumeist liebevoll Prinzessinnenschlösschen genannt, da es in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts der Weimarer Großherzogin Maria Pawlowna als Sommerresidenz diente. Hier ein Foto aus dem Jahr 1930. Foto: Stadtmuseum Jena

Erst nach der Kündigung der Ausstellungsräume in der Kaiser-Wilhelm-Straße im Jahr 1922 wurden dem Kunstverein vier Räume in der ersten Etage zur Nutzung übergeben.
Unter der Ausstellungstätigkeit des Grafikers und Kunsthistorikers Walter Dexel wurde das Prinzessinnenschlösschen zu einem Zentrum avantgardistischer Kunst in Thüringen. Hier hielt der Bauhaus-Meister Paul Klee im Jahr 1924 im Zuge der Ausstellung seiner Werke einen kunsthistorisch bedeutenden Vortrag zur modernen Kunst. Kurt Schwitters las hier aus seinen dadaistischen Texten. Fast sämtliche Bauhaus-Meister kamen im Prinzessinnenschlösschen zur Ausstellung.  Unter Dexel erweiterte sich die Sammlung des Kunstvereins um künstlerische Positionen der 1920er Jahre.

Die Sammlung des Jenaer Kunstvereins wurde nicht ständig präsentiert. Sie liest sich wie das Who is who der klassischen Moderne. Die inhaltliche und formale Gestaltung der Ausstellungen verantwortete zwischen 1916 bis 1928 Walter Dexel. Foto: Kunstsammlung Jena

Im Jahr 1928 wurde dem Jenaer Kunstverein das gesamte Prinzessinnenschlösschen zur Verfügung gestellt. Das bis dato in den oberen Räumlichkeiten befindliche “Institut für Mikroskopie” zog aus. Zugleich beendete Walter Dexel seine Ausstellungstätigkeit für den Kunstverein. 
In den folgenden Jahren kam es zu einer engeren Bindung zwischen Kunstverein und Stadtmuseum in Person von Johanna Stirnemann,  die einerseits Assistentin des Direktors im Stadtmuseum war und zugleich Geschäftsführerin des Kunstvereins. Nach dem plötzlichen Tod ihres Vorgesetzten leitete Johanna Stirnemann ab 1929 das Jenaer Stadtmuseum und war damit die erste Frau in Deutschland in einer solchen Position. 

In den dunklen Jahren des Nationalsozialismus wurde ein Großteil der bedeutenden Sammlung des Jenaer Kunstvereins unter der Leitung von Werner Meinhof, Vater der späteren RAF-Terroristin Ulrike Meinhof, im Zuge der Aktion “Entartete Kunst” beschlagnahmt. Die Ausstellungen wurden dem Diktat der nationalsozialisitischen Kulturpolitik unterstellt.

Der Ausstellungsbetrieb wurde bis 1944 erhalten. Nach dem Ende des 2. Weltkriegs wurde der Kunstverein 1949 aufgelöst. Die zwischen Stadtmuseum und Kunstverein entstandenen institutionellen Verknüpfungen wirkten jedoch fort.

Das Stadtmuseum befand sich ursprünglich im Gebäude der Stadtkasse in der Weigelstraße. Eine Aufnahme aus den 1930er Jahren. Das Gebäude wurde am 19.03.1945 durch einen Bombenangriff zerstört. Foto: Stadtmuseum Jena

Das Stadtmuseum zog aufgrund der Zerstörung seines Sitzes in der Weigelstraße in das Prinzessinenschlösschen, bis es im Jahr 1965 aufgrund eines politischen Entschlusses die Räumlichkeiten zugunsten des Einzugs des Optischen Museums verlassen musste.

Nach dem Auszug des Optischen Museums aus dem Prinzessinnenschlösschen in den 1970er Jahren schloß die FSU Jena mit der Carl-Zeiss-Stiftung einen Pachtvertrag. Die Kustodie der Universität zog in die Räumlichkeiten. Das Prinzessinnenschlösschen wurde im Jahr 2010 denkmalgerecht kernsaniert und beheimatet nun das Imre-Kertész-Kolleg der Friedrich-Schiller-Universität, dass sich der Forschung zu Geschichte, Kultur und Gesellschaft Osteuropas widmet. Foto: Jenaer Kunstverein / Wolfgang Grau

In der Folgezeit waren die Tätigkeiten des Stadtmuseums von den kulturpolitischen Prämissen der DDR geprägt. Seit 1974 wurden in einer Galerie in der neu entstandenen Großwohnsiedlung Lobeda-West Kunstausstellungen gezeigt. Im Jahr 1966 und 1977 wurden Gedenkstätten zur örtlichen Arbeiterbewegung eröffnet, 1981 wurde das Romantikerhaus eingeweiht.

Das Stadtmuseum ist seit 1986 in der Göhre ansässig. Die Kunstsammlung seit 1992. Foto: Selby / Wikipedia

Erst 1986 erhielt das Stadtmuseum für seine Stadtgeschichtsausstellung mit der “Alten Göhre” am Marktplatz einen festen Ort.  1992 wurden zwei Ausstellungsetagen für die Präsentation moderner und zeitgenössischer Kunst hinzugefügt. 
Die ideelle und historische Nähe zwischen den Institutionen Kunstsammlung und Kunstverein ist seit dem Einzug des Kunstvereins in den Stadtspeicher am Marktplatz auch wieder räumlich geworden.
Warum nicht noch einen Schritt weiter gehen, so dass beide Institutionen in einem Haus zusammenkommen? Verbindet doch beide Institutionen nicht nur die gemeinsame Geschichte einer Sammlung, sondern auch der über hundert Jahre bestehende Wunsch, ein Kunsthaus für Jena zu errichten. 

Zur Geschichte des historischen Kunstvereins Jena erschien 2008 unter Herausgeberschaft des Jenaer Kunstvereins, der Städtischen Museen Jena und der Kulturstiftung Jena der Band:
Rausch und Ernüchterung. Die Bildersammlung des Jenaer Kunstvereins – Schicksal einer Sammlung der Avantgarde im 20. Jahrhundert. Jena, Quedlinburg: Bussert und Stadeler 2008, 207 Seiten

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